Selbstbewusst Nein sagen
- Manuela Egger

- 6. Sept. 2024
- 4 Min. Lesezeit
Warum das Setzen von Grenzen in Pflege-, Sozial- und Pädagogikberufen unverzichtbar ist
In Pflege-, Sozial- und pädagogischen Berufen ist die Fähigkeit, für andere da zu sein, eine grundlegende Voraussetzung. Doch oft gerät dabei die wichtigste Person ins Hintertreffen: Du selbst. Warum fällt es uns so schwer, Nein zu sagen? Und warum ist es gerade in diesen Berufsfeldern so wichtig, gesunde Grenzen zu setzen? Als jemand, der selbst lange in der Pflege tätig war, weiß ich, wie schwierig es ist, die eigenen Bedürfnisse in den Vordergrund zu stellen, ohne das Gefühl zu haben, andere im Stich zu lassen.
Warum fällt es uns so schwer, Nein zu sagen?
In Pflege- und Sozialberufen stehen wir täglich vor der Herausforderung, Menschen in schwierigen Lebenssituationen zu unterstützen. Das Gefühl, gebraucht zu werden, ist ein starker Antrieb. Es ist schwer, eine Anfrage abzulehnen, wenn man das Bedürfnis hat, alles Mögliche zu tun, um zu helfen – sei es den Heimbewohnern, Patienten oder auch den Kollegen, die genauso unter Druck stehen.
Oft gibt es auch den inneren Glaubenssatz: „Wenn ich Nein sage, enttäusche ich jemanden.“ Genau dieser Gedanke führt uns dazu, die eigenen Grenzen zu ignorieren. Auch ich kenne die Situation, in der man sich zerrissen fühlt, weil man weiß, dass die eigene Erschöpfung zunimmt, während man gleichzeitig das Gefühl hat, anderen nicht gerecht zu werden. Besonders in Berufen, die von Empathie und Fürsorge geprägt sind, fällt es extrem schwer, sich selbst die Erlaubnis zu geben, auf die eigenen Bedürfnisse zu achten.

Warum ist es so wichtig, Grenzen zu setzen?
Die Fähigkeit, klare Grenzen zu ziehen, ist der Schlüssel zu langfristiger Zufriedenheit und Gesundheit. Ohne diese Fähigkeit geraten wir in die Gefahr, uns selbst zu verlieren. Wenn wir immer nur geben, bleiben irgendwann keine Ressourcen mehr übrig – weder für uns selbst noch für die Menschen, die auf unsere Unterstützung angewiesen sind.
Grenzen zu setzen bedeutet nicht, egoistisch zu sein oder andere im Stich zu lassen. Im Gegenteil: Wer gesund bleibt und seine Kräfte einteilt, ist viel länger in der Lage, qualitativ hochwertige Hilfe zu leisten. Ein gesundes „Nein“ schützt uns vor Überforderung und Burnout, einem Zustand, den viele in diesen Berufen leider nur zu gut kennen.
Was habe ich davon, wenn ich „Nein“ sage?
Wenn du lernst, bewusst „Nein“ zu sagen, wirst du schnell merken, wie sich dein Leben zum Positiven verändert. Hier sind einige der Vorteile:
Bessere Gesundheit: Indem du deine Belastungsgrenzen erkennst und respektierst, schützt du dich vor den Folgen von Dauerstress, wie Erschöpfung, Schlafproblemen oder sogar Burnout.
Mehr Selbstachtung: Ein „Nein“ zeigt, dass du dir deiner eigenen Bedürfnisse bewusst bist und sie nicht länger ignorierst. Du stärkst deine Selbstachtung, weil du dir selbst genauso viel Bedeutung beimisst wie anderen.
Klarheit im Berufsalltag: Wenn du selbstbewusst „Nein“ sagst, wissen deine Kolleg*innen und Vorgesetzten, was sie von dir erwarten können. Du kommunizierst transparent, was du leisten kannst, und das schafft Respekt.
Stärkere Beziehungen: Grenzen schaffen Respekt – nicht nur zu den Menschen, die du betreust, sondern auch zu deinen Kolleg*innen. Du wirst als jemand wahrgenommen, der sich nicht unter Druck setzen lässt, sondern klar und professionell agiert.
Meine Erfahrung in den sozialen Berufen: Die Herausforderung, Nein zu sagen
Aus meiner eigenen Zeit in der Pflege und der Tätigkeit als Grundschullehrerin weiß ich, wie schwer es ist, „Nein“ zu sagen, wenn man sieht, wie sehr Bewohner, Schüler oder Kollegen auf Hilfe angewiesen sind. Oft habe ich mich verpflichtet gefühlt, die zusätzlichen Aufgaben zu übernehmen, auch wenn ich bereits am Limit war. Der Gedanke, jemanden im Stich zu lassen, hat mich lange davon abgehalten, meine eigenen Grenzen zu setzen. Doch mit der Zeit musste ich erkennen, dass es keine Lösung ist, sich selbst aufzuopfern.
Besonders in der Pflege wird es schnell zur Routine, die eigenen Bedürfnisse hinten anzustellen. Doch das hat Folgen: Es führt zu körperlicher und emotionaler Erschöpfung. Der Stresslevel steigt, die Frustration nimmt zu, und irgendwann spürt man die Auswirkungen auch auf die eigene Gesundheit. Ich habe gelernt, dass ich nicht weniger wertvoll bin, nur weil ich auch einmal „Nein“ sage – im Gegenteil, es hat meine Professionalität gestärkt.
Was passiert, wenn wir unsere Grenzen ignorieren?
Wenn wir fortlaufend unsere eigenen Grenzen übergehen, kann dies weitreichende Konsequenzen haben – sowohl auf körperlicher als auch auf seelischer Ebene. Chronischer Stress führt nicht nur zu Erschöpfung und Schlafstörungen, sondern erhöht auch das Risiko für ernsthafte Erkrankungen wie Depressionen oder Herz-Kreislauf-Probleme.
Emotionale Distanz und Zynismus gegenüber den Menschen, denen man eigentlich helfen möchte, können ebenfalls eine Folge davon sein. Das bedeutet nicht nur einen Verlust an Arbeitsfreude, sondern auch eine verminderte Fähigkeit, wirklich einfühlsam und präsent zu sein.
Fazit: Setze deine Grenzen – ohne schlechtes Gewissen
Das Setzen von Grenzen ist kein Zeichen von Schwäche, sondern von Stärke. Ein gesundes „Nein“ schützt nicht nur dich selbst, sondern verbessert auch die Qualität deiner Arbeit und die Beziehungen zu den Menschen, die auf deine Hilfe angewiesen sind. Es ermöglicht dir, langfristig engagiert und gesund zu bleiben – für dich selbst und für andere.
Denke immer daran: Wer gut für sich selbst sorgt, kann auch gut für andere da sein. Setze deine Grenzen klar und selbstbewusst – ohne schlechtes Gewissen. Du wirst sehen, wie positiv sich das auf dein Leben und deine Arbeit auswirkt.

